Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
den schickt er in die –
»Alice! Peter! Sonja! Legt mal die
Tasche hier in das Gepäcknetz, nein,
da! Gott, ob einem die Kinder wohl
mal helfen! Fritz, iß jetzt nicht alle
Brötchen auf! Du hast eben gegessen!«
in die weite Welt!
Wenn du reisen willst, verlange von der Gegend, in die du reist, alles:
schöne Natur, den Komfort der Großstadt, kunstgeschichtliche
Altertümer, billige Preise, Meer, Gebirge – also: vorn
die Ostsee und hinten die Leipziger Straße. Ist das nicht vorhanden,
dann schimpfe.
Wenn du reist, nimm um Gottes willen keine Rücksicht auf deine
Mitreisenden – sie legen es dir als Schwäche aus. Du hast
bezahlt – die andern fahren alle umsonst. Bedenke, daß
es von ungeheurer Wichtigkeit ist, ob du einen Fensterplatz hast oder
nicht; daß im Nichtraucher-Abteil einer raucht, muß sofort
und in den schärfsten Ausdrücken gerügt werden –
ist der Schaffner nicht da, dann vertritt ihn einstweilen und sei
Polizei, Staat und rächende Nemesis in einem. Das verschönt
die Reise. Sei überhaupt unliebenswürdig – daran erkennt
man den Mann.
Im Hotel bestellst du am besten ein Zimmer und fährst dann anderswohin.
Bestell das Zimmer nicht ab; das hast du nicht nötig –
nur nicht weich werden.
Bist du im Hotel angekommen, so schreib deinen Namen mit allen Titeln
ein... Hast du keinen Titel... Verzeihung ... ich meine: wenn einer
keinen Titel hat, dann erfinde er sich einen. Schreib nicht: »Kaufmann«,
schreib: »Generaldirektor«. Das hebt sehr. Geh sodann
unter heftigem Türenschlagen in dein Zimmer, gib um Gottes willen
dem Stubenmädchen, von dem du ein paar Kleinigkeiten extra verlangst,
kein Trinkgeld, das verdirbt das Volk; reinige deine staubigen Stiefel
mit dem Handtuch, wirf ein Glas entzwei (sag es aber keinem, der Hotelier
hat so viele Gläser!), und begib dich sodann auf die Wanderung
durch die fremde Stadt.
In der fremden Stadt mußt du zuerst einmal alles genauso haben
wollen, wie es bei dir zu Hause ist – hat die Stadt das nicht,
dann taugt sie nichts. Die Leute müssen also rechts fahren, dasselbe
Telephon haben wie du, dieselbe Anordnung der Speisekarte und dieselben
Retiraden. Im übrigen sieh dir nur die Sehenswürdigkeiten
an, die im Baedeker stehen. Treibe die Deinen erbarmungslos an alles
heran, was im Reisehandbuch einen Stern hat – lauf blind an
allem andern vorüber, und vor allem: rüste dich richtig
aus. Bei Spaziergängen durch fremde Städte trägt man
am besten kurze Gebirgshosen, einen kleinen grünen Hut (mit Rasierpinsel),
schwere Nagelschuhe (für Museen sehr geeignet), und einen derben
Knotenstock. Anseilen nur in Städten von 500 000 Einwohnern aufwärts.
Wenn deine Frau vor Müdigkeit umfällt, ist der richtige
Augenblick gekommen, auf einen Aussichtsturm oder auf das Rathaus
zu steigen; wenn man schon mal in der Fremde ist, muß man alles
mitnehmen, was sie einem bietet. Verschwimmen dir zum Schluß
die Einzelheiten vor Augen, so kannst du voller Stolz sagen: ich hab's
geschafft.
Mach dir einen Kostenvoranschlag, bevor du reist, und zwar auf den
Pfennig genau, möglichst um hundert Mark zu gering – man
kann das immer einsparen. Dadurch nämlich, daß man überall
handelt; dergleichen macht beliebt und heitert überhaupt die
Reise auf. Fahr lieber noch ein Endchen weiter, als es dein Geldbeutel
gestattet, und bring den Rest dadurch ein, daß du zu Fuß
gehst, wo die Wagenfahrt angenehmer ist; daß du zu wenig Trinkgelder
gibst; und daß du überhaupt in jedem Fremden einen Aasgeier
siehst. Vergiß dabei nie die Hauptregel jeder gesunden Reise:
Ärgere dich!
Sprich mit deiner Frau nur von den kleinen Sorgen des Alltags. Koch
noch einmal allen Kummer auf, den du zu Hause im Büro gehabt
hast; vergiß überhaupt nie, daß du einen Beruf hast.
Wenn du reisest, so sei das erste, was du nach jeder Ankunft in einem
fremden Ort zu tun hast: Ansichtskarten zu schreiben. Die Ansichtskarten
brauchst du nicht zu bestellen: der Kellner sieht schon, daß
du welche haben willst. Schreib unleserlich – das läßt
auf gute Laune schließen. Schreib überall Ansichtskarten:
auf der Bahn, in der Tropfsteingrotte, auf den Bergesgipfeln und im
schwanken Kahn. Brich dabei den Füllbleistift ab und gieß
Tinte aus dem Federhalter. Dann schimpfe.
Das Grundgesetz jeder richtigen Reise ist: es muß was los sein
– und du mußt etwas »vorhaben«. Sonst ist
die Reise keine Reise. Jede Ausspannung von Beruf und Arbeit beruht
darin, daß man sich ein genaues Programm macht, es aber nicht
innehält – hast du es nicht innegehalten, gib deiner Frau
die Schuld.
Verlang überall ländliche Stille; ist sie da, schimpfe,
daß nichts los ist. Eine anständige Sommerfrische besteht
in einer Anhäufung derselben Menschen, die du bei dir zu Hause
siehst, sowie in einer Gebirgsbar, einem Oceandancing und einer Weinabteilung.
Besuche dergleichen – halte dich dabei aber an deine gute, bewährte
Tracht: kurze Hose, kleiner Hut (siehe oben). Sieh dich sodann im
Raume um und sprich: »Na, elegant ist es hier gerade nicht!«
Haben die andern einen Smoking an, so sagst du am besten: »Fatzkerei,
auf die Reise einen Smoking mitzunehmen!« – hast du einen
an, die andern aber nicht, mach mit deiner Frau Krach. Mach überhaupt
mit deiner Frau Krach.
Durcheile die fremden Städte und Dörfer – wenn dir
die Zunge nicht heraushängt, hast du falsch disponiert; außerdem
ist der Zug, den du noch erreichen mußt, wichtiger als eine
stille Abendstunde. Stille Abendstunden sind Mumpitz; dazu reist man
nicht.
Auf der Reise muß alles etwas besser sein, als du es zu Hause
hast. Schieb dem Kellner die nicht gut eingekühlte Flasche Wein
mit einer Miene zurück, in der geschrieben steht: »Wenn
mir mein Haushofmeister den Wein so aus dem Keller bringt, ist er
entlassen!« Tu immer so, als seist du aufgewachsen bei ...
Mit den lächerlichen Einheimischen sprich auf alle Fälle
gleich von Politik, Religion und dem Krieg. Halte mit deiner Meinung
nicht hinterm Berg, sag alles frei heraus! Immer gib ihm! Sprich laut,
damit man dich hört – viele fremde Völker sind ohnehin
schwerhörig. Wenn du dich amüsierst, dann lach, aber so
laut, daß sich die andern ärgern, die in ihrer Dummheit
nicht wissen, worüber du lachst. Sprichst du fremde Sprachen
nicht sehr gut, dann schrei: man versteht dich dann besser.
Laß dir nicht imponieren.
Seid ihr mehrere Männer, so ist es gut, wenn ihr an hohen Aussichtspunkten
etwas im Vierfarbendruck singt. Die Natur hat das gerne.
Handele. Schimpfe. Ärgere dich. Und mach Betrieb.